Bebom, bebom, bebom... Mit geschlossenen Augen stand Nadia hinter der Bühne und versuchte ihre viel zu heftige Atmung zu beruhigen. Den Mund leicht geöffnet und ausgeatmet, senkte sich ihre Brust langsam, dabei öffnete sie die Augen. Wirklich runter kommen konnte sie nicht, zu viel Adrenalin schoss durch ihren Körper. Aufregung, Begeisterung, Freude. Alles kam zusammen. Und... Madame Popow. Die Ballettlehrerein, die Nadia begleitete, seit sie zehn Jahre alt war. Eine strenge Person, die jedoch irgendwie zu einer Vertrauten geworden war. Nadia sah sie jeden Tag. Fast öfter, als sie ihre eigene Mutter sah. Training war das A und O! 'Sonst wärst du heute nicht da, wo du jetzt bist!' wieder und wieder musste sie sich diese Wort eihrer Mutter anhören und sie jedes Mal bedachte Nadia sie mit einem ehrlichen Nicken und vollkommener Dankbarkeit dafür, was ihre Mutter ihr ermöglicht hatte. Madame Popow nahm Nadia am Arm und drehte sie so, dass sie mit dem Gesicht wieder in Richtung der Bühne sehen konnte. Die Anweisung, erneut rauszutanzen, eine grazile Drehung zu machen und den Applaus der Zuschauer mit einem Lächeln und einer Verbeugung in jeder Richtung zu würdigen, nahm die junge Frau an, ohne sich dagegen zu stellen. Es gehörte dazu. Wie das Amen in der Kirche. Und so trat Nadia erneut auf die Bühne, während sie hinauf tanzte, kam aus der anderen Richtung ihr männlicher Gegenpart und schloss sie in die Arme. Gemeinsam holten sie sich die Anerkennung ab.
Es waren rund zwanzig Minuten vergangen, als Nadia in die kleine Garderobe trat. Sie hatte das Gefühl, ihre Ohren würden rauschen. So schön das Alles hier war, ...dieses Leben hatte nunmal auch seine Schattenseiten. Nadia war immer wieder an diesem Punkt, wo sie Alles hinwerfen wollte. Aufhören. Ausbrechen. Weg von hier und hinein in die Welt. In die Welt, in der irgendwo ihr Bruder verweilte. Was tat er? War er Geschäftsmann? Altenpfleger? Fuhr er Rad oder hatte er einen schicken Wagen? Hatte er vielleicht Kinder und... ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen als hoch frequentiert lachend ihre Mutter auf sie zu kam, klatschte und auf russisch lobte, was sie da gerade abgeliefert hatte. Dann ein >Sieh, so schlimm schmerzt dein Knöcheln doch gar nicht!<, dazu unzählige Küsse und eine feste Umarmung. "Nein , natürlich nicht!" immerhin durfte ihr Knöchel nicht schmerzen, auch wenn ihr drei Tage zuvor ein rund 90kg Kerl, der das Gleichgewicht verloren hatte, auf den Fuß getrampelt war. . .